13 Juni 2011

Verzasca


Zorndurchdrungen aufstehen. Dem Gesang der Amsel folgen und den frühen Morgen an den Fluss bringen. Er erwartet mich still, türkis blau grün. Sein Wasser ist frei und körperlich. Ein paar Stunden mit nackten Füßen den Sand, den Stein berühren. Nur das künstlerische Auge als Begleiterin. Ihre Linse öffnet und schließt sich, hält Distanz. Verzichtet auf den vernebelnden Blick. Legt entschlossen eine Erinnerungskarte an, genau und strategisch. Eine glänzende Leistung, die aus dem Sumpf menschlicher Verstrickung löst. Nichts Aufwühlendes nur kantige Zurückhaltung, ungewohnt und frisch. In ihren Augen erkennen sich Spiel und Handlung selbst als einmalig. Jede Geste spiegelt das Wasser. Klar. Ein stiller tiefer Fluss, der lautlos in den Tag mündet.
Mein Magen knurrt. Zurückkehrend in das satte Grün des Tages freue ich mich auf das Frühstück. Den Spielfluss sorgfältig im Rucksack verstaut, unsichtbar für die Damen, tragen mich meine Füße unter ihren Blicken hindurch in die Residenzia. Sie lehnen an der Balkonbrüstung und schauen auf mich herab. Leicht füllen sie mit ihren Körpern die Stühle gleich den Ausflüglern mit ihren Kindern auf den Schultern die Stille füllen. Im Garten das Wasser regelgenau in einem hellblauen Quadrat plätschert vor sich hin. Leergeräumtes Paradies.
Eigentümlich reich. Das Lied der Amsel.

11 Juni 2011