08 März 2011

Kunstprojekt " Meerfrau " II.





Am Meer brauche ich die Schwimmbrille nicht. Sie liegt zu Hause bei den Badesachen, die ich immer in einer ganz bestimmten Tasche verwahre, griffbereit zusammen mit Handtuch und Badeanzug. Jederzeit kann ich mich so in einen Fisch verwandeln selbst in der Stadt. Aber hier am Meer brauche ich die Utensilien nicht. Hier ist es ungewöhnlich still heute. Eine leichte Brise weht und keine Menschenseele ist weit und breit um mich herum. Kleine Sterne funkeln auf dem Wasser, spiegeln die Spritzer, die die Sonne auf das Wasser ausgekippt hat. Die Wasseroberfläche erinnert mich an die neue Autolackierung unseres Wagens. Seltsam still.
Ungestört den Morgen - den Tag verbringen – Raum – endlich. Ich komponiere gerne, male Bilder. Die Kirchturmuhr schlägt neun, nein sie läutet die Turmuhr von Horn auf Terschelling. Es ist März und die ersten Schneeglöckchen strecken ihre weißen Köpfchen der Sonne entgegen. Die Luft ist würzig.
Meer.
Mehr davon. Gepäck abgeben. Die Fähre betreten in eine andere Welt. Augen kleben am Horizont. Die Fähre brummt vor sich hin und ich döse ein, tauche ab jenseits von Licht und Schatten. Eine Erholung.
Auftauchen am Strand, Schaumkronen im Haar. Meerfrau in der Sonne. Fischgesicht, frech, zeitlos. Bewusstsein dehnt sich aus, der Himmel öffnet sich in das große Weltatelier hier am Strand. Heute werden nicht soviel Besucher kommen. Am Sonntag rasten sie in ihren schwarzen Jeeps wie Ameisen durch das klare Blau, wirbelten die Sandfarbe auf und rauschten davon eine Wolke aus undefinierbaren Abgasen hinter sich lassend. Verrückt!
Ich? Ja. So wie alle anderen auch nur anders.
Ich klemme Kamera und Stativ aufs Fahrrad. Das Rad gleitet durch die Morgensonne. Die Farben in der Weite des Strandes auspacken. Worte in die Luft werfen. Spielen.
Was für ein Glück, Schwester, Freundin. Was für ein Geschenk sich so lassen zu können. Kein Ausflugstheater.
Blaue Farbe auf der Palette. Übergänge zu Violett und Orange finden. Zart.
Ich fühle mich zu hause am Meer und in den Farben. Ruhe. Stille. Unerwartetes in die Hand nehmen. Türkis. Blau. Königsblau. Den Faden aufnehmen, sich zurückziehen wie die Ebbe und in gutem Schuhwerk das Wasser durchschreiten. Ein ganz neues Repertoire steht zur Verfügung. Ich muss es nur nehmen, das Wasser durchschreiten. Jedesmal von Neuem.
Blau immer wieder Blau und diese eigenartige Sandfarbe.




Das Dorf mit den gackernden Hühnern und ratternden Traktoren. Heute gab es im Laden nebenan frische Brötchen. Duftend standen sie zusammen mit Kaffee auf dem Frühstückstisch nach einer langen Nacht.
Das Dachfenster über meinem Bett zeichnet den Sternhimmel auf ein Quadrat. Nachts breite ich die Arme aus, lasse mich ein auf das Liebesabenteuer, fliege hinaus bis mich in der Früh das Vogelzwitschern zurückholt.
Ausgestreckt im Bett liegen. Gemütlich dichten. Das Haar ist feucht und lang, doch ich schneide es nicht. Regentropfen trommeln auf das Quadrat, der nächtliche Himmel ist einem morgendlichen Grau gewichen. Bäume wiegen ihre kahlen Kronen im Wind. Aufwachen und das Leben in die Arme schließen.
Freundin, alles ist da. Schwester, lass uns Achtung und Respekt füreinander aussprechen. Im Takt der Küchenuhr singen und unsere zarten Gewebe spinnen, die uns nähren. Wir haben das Vermögen frei zu sein. Verlorenes wiederfinden. Wissen unserer Ahninnen. Gerne möchte ich all dies mit dir teilen. Das Wesentliche umarmen, Frau, dir meine Zeit schenken.
Die Fähre wippt auf und ab. Es ist stürmisch und grau unterwegs in das gewohnte Zu hause zurück. Kaffee schlürfen und gefüllte Küchlein dippen. Im gepackten Koffer schlafen leere Blätter Papier wie die weißen Köpfchen der Schneeglöckchen. Welche Bilder und Lieder werden darauf entstehen?



Photos Arti Köln