03 August 2013

Frauen in den Weltreligionen + ihre Demontage - Pressemitteilung


Das Bonner Frauenmuseum präsentiert vom 11. 8. – 10.11.2013 unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann ein neues Ausstellungsprojekt: EVO – Frauen in den Weltreligionen. EVO steht als Kürzel für Evolution, für die Entwicklung der verschiedenen Religionen. 90 Künstlerinnen sowie acht kooperierende Institutionen geben Antworten auf den Stellenwert von Religionen sowie deren Verhältnis zum Weiblichen. Sie zeigen sowohl die Demontage von Frauen als auch wegweisende, neue Positionen in der Entwicklung der großen Weltreligionen auf.
Erschreckend und zugleich faszinierend ist es zu sehen, dass bestimmte Themen in allen Weltreligionen Gegenstand der Auseinandersetzung sind: die politische Instrumentalisierung von Religionen zum Nachteil der Frauen, die Entmachtung des weiblichen Parts, Missbrauch und Gewalt sowie die Stigmatisierung der weiblichen Sexualität. Das umfangreiche Veranstaltungsprogramm mit Religionswissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Kirchenfrauen zeigt, wie aktuell und brisant das Thema ist.
Spannend an dieser Ausstellung ist, dass Künstlerinnen aus der jüdischen, der islamischen, der buddhistischen, der christlichen und der atheistischen Weltanschauung jeweils ihre Sicht auf die eigene Kultur werfen. Dabei kristallisieren sich übergreifende Themenblöcke heraus:

Die Auseinandersetzung mit Göttinnen, Heiligen, Madonnen und Engeln, die Sichtbarmachung historischer Frauen und Prophetinnen, die politische Dimension von Religionen, sowie das Thema Sexualität, Reinheit versus Unreinheit und sexueller Missbrauch. Die Künstlerinnen greifen auf die Quellen selbst zurück und verarbeiten sie in ihrer Malerei, in Photographie, Video oder Installation.
Die Hinwendung zum Religiösen in der zeitgenössischen Kunst und die dezidierte Rezeption eines scheinbar unerschöpflichen kulturhistorischen Fundus sind aktuell weltweit zu beobachten. Wenn Künstlerinnen diesen Fundus bearbeiten, dann vornehmlich mit dem Schwerpunkt auf weibliche Gottheiten und Frauen in den jeweiligen Religionen. Die abstrakten, meist mit über allem stehenden männlichen, ordnenden Gottheiten, die also eher im geistig-symbolischen Raum agieren, werden von ihnen tendenziell dekonstruiert.

Auftakt der Schau über drei Etagen bildet die Präsentation der Geschichte der Religionen im Rheinland von ihren archäologischen Anfängen bis heute. Bonn war das Zentrum des Matronenkults, daher beginnt der erste Teil, der in Zusammenarbeit mit dem LVR-LandesMuseum entstand, mit germanisch-ubischen und römischen Göttinnen im 1. bis 3. Jahrhundert. Die Terrakotten weiblicher Gottheiten aus Bonn sind zum Teil erstmalig öffentlich zu sehen.

Ulrike Rosenbachs „MAIFRAU“ (Rauminstallation mit Video) zeigt hierzu ein eindrückliches künstlerisches Statement ihrer positiven Identifikation mit der Schutz-Göttin Diana von Ephesus, der „Tausendbrüstigen“. Ebenso Julitta Franke, die den Schöpfungsmythos von der Göttin Eurynome dem biblischen gegenüberstellt und letzteren als typisch männlich geprägten entlarvt. Petra Genster & Karin Meinl zeigen eine Videoinstallation, in der aus der „Ursuppe“ in einem weiblichen Schöpfungsakt neues Leben entsteht.

Weiter geht es mit der Kirchengeschichte in Bonn und der Region von Zeiten einvernehmlicher Göttervielfalt, über Verfolgung, Massenmord, der Dokumentation zerstörter Kirchen und Synagogen bis zur heutigen Kon-fessionsvielfalt.
In der ersten Etage sind die Binnenausstellungen „Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos“ (Stiftung Welt-ethos/Hans Küng), „Fräulein Rabbiner Jonas (Jüdisches Museum Berlin), Hörstuhl feministische Theologie (Frauenbeauftragte des Ev. Kirchenkreises Bad Godesberg – Voreifel) und „Mirjams Paukenschlag“ (Genderreferat des Ev. Kirchenkreises Gelsenkirchen/Wattenscheid) sowie hiervon sternförmig ausgehend die Werke von Künstlerinnen aus den verschiedenen Religionen zu sehen.
In die Welt des Islam entführen z.B. die Künstlerinnen Parastou Forouhar, deren orientalische Musterwelten sich bei genauem Hinsehen als Gewaltszenen entpuppen. Firouzeh Georgen-Ossoulis Installation versetzt die BesucherInnen durch eine raffinierte Spiegeltechnik mit zwölf weiteren verschleierten Frauen in einen orientalischen Mehrab. Homa Emami hat ein filigranes, architektonisch instabil anmutendes Holzgerüst gebaut, in dem Objekte zum Thema Steinigung schweben. Sie nennt die Installation „120mm Stone“ – dies ist der vorgeschriebene Durchmesser der todbringenden Steine.
In diesem Themenfeld sind auch Angie Hiesl und Roland Kaiser angesiedelt. Sie zeigen einen Ausschnitt aus dem interdisziplinären Performance-Projekt „...und HAAR und HAAR und HAAR und...“. Frauenhaar, wie es hier gezeigt wird, steht mit seinen vielfältigen religiösen und politischen Bezügen für Gefangenschaft, Missbrauch, religiöse Opfergabe und Folter.
Maria Redkins Gemälde gewähren Einblick in die jüdische Weltanschauung: „Gebet“ weist über traditionelle jüdische Rituale hinaus – eine weiblich anmutende Gestalt hält die Thorarolle in Händen. Zipora Rafaelos „Chefziba“, „Shira“ und „Yona“ sind Cutouts mit feinen Tuschezeichnungen mit einem eindrücklichen Blick auf den weiblichen Inhalt des „Hohelieds Salomos“.
Dies ist auch Gegenstand in der christlichen Auseinandersetzung mit biblischer Überlieferung. Gamma Thesa Terheyden hat sich fotografisch damit auseinandergesetzt. Beide Künstlerinnen deuten es im weiblichen Sinne: die Frau als Begehrende, als Künstlerin, als Schönheit der Natur.
Grenzgängerin zwischen den Religionen ist auch Regina Hellwig-Schmid. Ihre Adaption der Legende von Lilith als erster Eva, die nicht nur den jüdischen Volksglauben, sondern auch die Dichtung der Neuzeit und das Selbstverständnis der Frau seit der ersten Frauenbewegung geprägt hat, setzt Lilith eine Art Denkmal: Auf dem Podest sehen wir ihre Flügel, mit denen sie Adam davonflog, ihnen zu Füßen tote Kinderköpfe.

Die Künstlerinnen, die sich explizit mit der christlichen Tradition auseinandergesetzt haben, setzen mehrheitlich kritische Impulse. Um nur einige zu nennen: Monika Stubig (Hexenverfolgung), Cornelia Enax und Heidi Adrian fordern unmissverständlich mehr Macht für Frauen in der Kirche – Enax hat dafür bereits die Päpstin porträtiert. Auch Aktuelles wie die Missbrauchsskandale in der Katholischen Kirche werden thematisiert (Manuele Klein & Detlev Weigand). Christine Theiles Gemälde „Anklage“ zeigt fünf Geistliche, die in das lodernde Feuer eines Scheiterhaufens blicken. Lilian Moreno Sanchez verwendet Zitate und Versatzstücke aus der Renaissancemalerei und perfektioniert sie zu einer „Ästhetik des Leidens“.

Einen breiten Raum nehmen Arbeiten ein, die sich explizit mit der Heiligen- und Marienverehrung beschäftigt haben. Hier ist z.B. Elisabeth von Samsonow mit „The Glory of Mary Magdalene“ augenfällig. Die Statue wird ihre Reise von Jerusalem ins Frauenmuseum u.a. auch auf einem Kultwägelchen in Bonns Innenstadt führen.


Mit dem Buddhismus hat sich u.a. Ulla Maria Zenner in ihrer Videoinstallation „Montañeta“ auseinandergesetzt. Zenner ist von der „Dakini“, der „Himmelstänzerin" inspiriert, einer wichtigen Manifestation des Weiblichen im tibetischen Buddhismus. In der religiösen Geschichte wird sie häufig entmachtet und zur Sexgespielin degradiert. Bei Zenner wird sie zur „Reisenden im Raum", einer, die sich im Himmel bewegt.

Zwischen Hinduismus und Christentum schlägt die deutsch-indische Künstlerin Lavanya Boesten eine Brücke. Auf ihren Fotos zeigt sie eine Inderin in deutscher Landschaft. Haltung und Gestik sind sowohl an christliche als auch hinduistische Rituale angelehnt. Obwohl im Hinduismus die Göttinnen gleichwertig sind, wird dies paradoxerweise den irdischen Frauen im Alltag verwehrt, im Gegenteil, sie werden als minderwertig und als Besitztum des Mannes gesehen.

Interessant bleibt es auch in der zweiten Etage. Hier finden sich Künstlerinnen, die thematisch übergreifend arbeiten, die atheistische oder auch neue Religionen ausloten. Renate Hochscheid zeigt „Göttinnen der Leinwand“. Chris Bleichers Neon-Rauminstallation „BRÜCKE INS LICHT“ ist ihr eigener Sarg – ein Frauen-sarg. Was zunächst zynisch klingt, ist allerdings ein unbedingt lebensfrohes, buntes Werk.


Frauenmuseum Bonn
Im Krausfeld 10
53 111 Bonn
www.frauenmuseum.de

Ansprechpartnerin Presse
Dr. Klaudia Nebelin
Tel: 0228 92 89 45 27 Mobil: 0173 630 3608
klaudia.nebelin@frauenmuseum.de